[Valentine]

Die Frau schien wenig Interesse daran zu haben, weiter über das Yokaidorf zu sprechen. Entweder, weil sie nicht darüber sprechen wollte oder aber weil sie nichts darüber zu erzählen wusste. Valentine hatte das Gefühl, dass Letzteres eher auf sie zutraf. In Octron hatte man hin und wieder andere Stimmen gehört. Nicht, dass man sofort an Ort und Stelle als Yokai gejagt worden wäre, aber man hatte meistens immer eine gewisse Skepsis gehört. Die Stadtmauer war wahrscheinlich auch kein Zierwerk gewesen, dafür hatte es zu viele Wachen gegeben. Hatte.
Die Frau hob das Glas und Vale tat es ihr gleich, um auf irgendetwas anzustoßen. Er hatte der Frau nicht wirklich zugehört, sondern lächelte einfach nur höflich, ehe er einen Schluck trank. Er hing etwas seinen Gedanken nach, bis er merkte, dass die Frau sich ein Stück vorbeugte und den Blick auf Aki richtete. »Lustig, manchmal guckt sie so aufmerksam als würde sie uns zuhören« Bevor Vale reagieren konnte streckte sie nun doch den Zeigerfinger in Richtung Aki, damit sie daran schnuppern konnte. „Sie hört ja auch zu.“ Vale tätschelte Akis Kopf, wobei sie ihre Ohren an den Kopf anziehen musste, damit sie nicht unter dem Gewicht der Hand knickten. Die Frau zog daraufhin, schon fast enttäuscht, den Arm wieder weg.
„Katzen sind sehr sensible Tiere, sie merkt meine Angespanntheit und ist bestimmt auch noch selbst ganz verängstigt.“ Er hätte ihr am liebsten ins Ohr geflüstert wieder die Rolle der ängstlichen, traumatisierten Katze einzunehmen, aber vielleicht war das auch nicht nötig. So ganz ängstlich sah Aki gerade nicht aus, wie sie interessiert in Richtung der Gläser schaute. Nichts für empfindliche Katzennasen und noch weniger für empfindliche Katzenmägen.
„Gibt es sonst irgendetwas, was man hier über die Stadt wissen müsste?“ Lenkte er das Thema wieder von der Katze weg. Auch wenn es Aki bestimmt freute, wenn sie Aufmerksamkeit bekam. So lange man die Stadt und seine Leute noch nicht einschätzen konnte war es besser unauffällig zu bleiben.

[Aki]

Auch meine Ohren erfuhren nichts weiter darüber, was mit dem Yokaidorf war. Leider erzählte die Frau generell nix Spannedes mehr oder hörte meine Gedanken und erklärte lang und breit, was denn Yokai eigentlich war. Für mich war das ein fremder Begriff, denn in meiner Welt war es ganz natürlich, dass menschliche Zweibeiner mit anderen Zweibeinern zusammenlebten. Es gab keine getrennte Gruppierung für "Mensch" und "nicht Mensch". Sogar die Menschen waren oft nicht ganz so menschlich, wie man glaubte. Viele konnten ein Element bändigen und also Magie benutzen. Das war hier anders. Hier gab es schwarze komische blöde Monster... Und einen Val, der durch Träume und Welten reisen konnte. So wen hatte ich auf Lasaliel nie kennengelernt, bis er aufgetaucht war und mich mitgenommen hatte.
Meine Ohren spitzten sich erst und ich reckte interessiert mein Näschen, weil die Frau sich wieder zu mir gewandt hatte und die Hand ausstreckte. Aber schon kam die von Valle dazwischen und meine Ohren klappten sich automatisch nach unten und ich knipste die Augen zu, weil er meinen Kopf tätschelte. Meh, noch nicht mal streicheln sollte sie mich? Je mehr Krauler, desto besser!
Aber na ja, vielleicht hatte er auch Angst, dass meine Tarnung aufflog, auch wenn ich clever genug war, nur wegen seinen Worten jetzt nicht plötzlich total verängstigt dreinzuschauen. Das hätte ja echt wie auf Kommando gewirkt und wäre aufgefallen! Lieber gurrte ich unter dem Getätschel leise, schnurrte etwas lauter und lauschte nebenbei, ob's ne interessante Antwort auf die nächste Frage gab. Außerdem warf ich dem Wirt hin und wieder große, flehende Blicke zu, in der Hoffnung, dass er was Leckeres für mich springen ließ. Nur nicht dieses beißende Alkoholzeugs, das konnten die alle selber trinken!

[Valentine]

Auf die Frage, ob es noch weitere interessante Dinge zu dieser Stadt kam, erfolgte für Valentines Ohren ein relativ langweiliger Monolog, wobei er immer wieder ein aha, oh wie schön und mhhhmmm einstreute. Sie berichtete über angesagte Läden, einem schönen kleinen Park und anderen Dingen, die für ihn nicht besonders von Belang waren.
Akis sehnsuchtsvoller Blick wurde dabei weder von Valentine noch von dem Wirt bemerkt. Je voller die Bar wurde, desto weniger irritierte Blicke bekam Aki zugeworfen. Nur noch einmal kam eine weitere junge Frau angelaufen und streichelte dem Katzenwesen vorsichtig das Kinn, nachdem sie eine kurze Unterhaltung mit Vale über Katzen geführt hatte.

Letztendlich erhob Vale sich wieder, hob sich Aki auf die Schulter und verließ die Bar mit ihren bunten Lichtern.
Die Nacht war derweil schon hereingebrochen. Man konnte das Meer riechen und die Wellen an der Steinbrandung brechen hören, wenn man ganz leise war. Im Vordergrund hörte man stattdessen Musik und Leute lachen. Hier schien das Unheil von Echsinea weit weg zu sein. „Ich glaube, ich habe eine neue Geschäftsidee entwickelt, meine Liebe.“ Begann er feixend das Gespräch mit seiner vierpfotigen Begleiterin. Jetzt auf den Straßen hatte er endlich wieder die Gelegenheit dazu. „Was hältst du davon ein Katzencafe zu eröffnen? Du sitzt ein bisschen herum, lässt dich von den Leuten streicheln und das nennt sich dann Arbeit.“ Valentine konnte sich selbst nicht ein Lächeln verkneifen. Er war noch nie einer solchen normalen Arbeit nachgegangen. Er konnte nicht einmal besonders gut Kaffeekochen. „Du bist in der Bar sehr gut angekommen, hast du das gemerkt?“

[Aki]

Leider bemerkte niemand, dass ich gerne was abstauben wollte. Glücklicherweise war ich eine brave Katze und fing nicht an, rumzumiauzen oder zu meckern und zu pföteln, damit jemand mir was gab. Bestimmt gab's hier eh nix Gesundes für mich, nur komische Früchte und komisches Trinken. Und Bier. Das erkannte ich ja am Geruch! Auch wenn es hier anders roch als als in Anan in den Kneipen.
Ach Anan... Ein bisschen vermisste ich mein Zuhause ja doch. Bis ich an die Fänger dachte, die mir auf den Fersen gewesen waren.
Mit Leckerchen wurde ich nicht belohnt, aber ich wurde noch mal ein bisschen gestreichelt, als eine Frau kam und mit Valle über Katzen redete. Meine Güte, ich hatte das Gefühl, Katzen hatten es in dieser Welt viel besser als in meiner. Da waren sie halt da und sollten Mäuse fangen und so. Hier fachsimpelte man über sie. Richtig so! Ehre, wem Ehre gebührt.
Allerdings wurde es auch immer voller und lauter und Valentine wirkte nicht so, als würden die übrigen Gespräche - außer die über uns natürlich! - ihn interessieren. Deshalb war ich froh, als wir eeeendlich wieder gingen. Drinnen kriegte ich ja eh nix Leckeres.
Ich machte es mir wieder auf seiner Schulter bequem und schnüffelte erleichtert die frische, aber salzige Meerluft.
"Katzencafé?", fragte ich nach und spitzte die Öhrlis. "Waaas, sowas gibt's?" Es klang gar nicht so schlecht. Nix Tun und nur Streicheleinheiten und hoffentlich Leckerchen abgreifen. Ganz mein Leben. Andererseits... "Aber wenn dann den ganzen Tag immer andere Leute kommen und streicheln wollen, klingt das doch ziemlich anstrengend. Da müssten schon viele Pausen her! Und mehr Katzen zum Aufteilen der ... äh, Arbeit."
"Woah!" Ich zuckte zusammen bei einem Ausruf hinter uns, drehte den Kopf und erspähte zwei junge Männer. Der eine hatten den Arm um die Schultern vom andern gelegt und hielt so eine Flasche in der Hand. "Die Katze hat geredet, Dude!"
Upsi...
Der Typ war ziemlich betrunken und der andere guckte ihn irritiert an. "Hast heut eindeutig einen zu viel gehabt, Alter", kommetierte er, aber die beiden kamen näher heran. "Oder?", fragte er Valentine. "Katzen können doch gar nich' reden, hä?" Auch er hatte einen im Kahn.
Meinen feinen Sinnen entging das allerdings ein bisschen, da ich nicht so in der Lage dazu war, sowas zu erkennen oder zu beurteilen. Ich duckte mich auf Vals Schulter zusammen. Das war nur haln geschauspielert, denn die beiden redeten laut und waren sehr energisch.
"Wenn ich's dir doch sag, die hat geredet!" Der eine beugte sich vor, zog den Arm von der Schulter des anderen und streckte die Hand aus. "Oder, Kitty, Kitty? Sag mal was!"