Re: Wiesenlandschaft
von Cerielle » Fr 15. Mär 2024, 21:30
Was das Schlangenwesen sich dachte, konnte ich nicht erraten, doch seine Antwort gab mir zumindest den Hinweis, dass er nichts dagegen hatte, allein zu sein. Ich senkte den Blick ein wenig von seinem Gesicht auf seinen schuppigen Körper. Es kann einem niemand in den Rücken fallen...
"Ja... Das stimmt. Aber... man bekommt auch keine Hilfe. Ich wäre vielleicht schon tot, wenn ich alleine wäre", sagte ich nach kurzem Überlegen langsam und sah das Wesen wieder an. Sicher, er hatte Schutz sicher nicht nötig, und vielleicht brauchte er wirklich niemanden außer sich selbst... Vielleicht konnte er es deshalb nicht ganz nachvollziehen.
Etwas überrascht war ich dann schon, denn ich bekam den Eindruck, dass es mein Gegenüber amüsierte, wie ängstlich und abgeneigt andere ihm gegenüber waren, was eindeutig aus den "Namen", die ihm gegeben worden waren, hervorging. Diesen Eindruck hatte ich am Anfang ja auch gehabt, als ich selbst Angst vor ihm gehabt hatte. Aber ich fand es nicht amüsant. Auch wenn es ihm vielleicht egal war, mir tat es leid. Ich konnte mir eben nicht vorstellen, völlig allein zu sein.
"Das sind keine netten Namen. Und es stimmt nicht... Du bist kein Monster", sagte ich, den letzten Satz ein wenig leiser, beinahe kleinlaut. Sicher, am Anfang hatte ich das auch gedacht, aber jetzt tat es mir leid. Er hatte mir sehr geholfen. Er war kein Monster. Nur... ziemlich anders.
Auf meine Frage nach seinen Eltern antwortete er nicht sofort. Es war auch zugegebenermaßen eine sehr persönliche Frage, und vielleicht hätte ich sie nicht stellen sollen, dachte ich mir kurz darauf schon, aber nun war es eben raus. Aber die Antwort der Schlange bestätigte meinen Eindruck und erleichterte mich ehrlich gesagt auch ein wenig, weil es ihm nichts auszumachen schien, dass er keine richtigen Eltern gehabt hatte, in dem Sinne dass sich jemand um einen kümmerte, wenn man klein war. Ich hatte natürlich auch nicht darüber nachgedacht, dass er aus einem Ei geschlüpft war. Aber so war das natürlich verständlich. Schlangen waren da offenbar ganz anders als Seehunde.
Darauf kam er dann auch zu sprechen, jedenfalls so ungefähr, denn meine Gedanken glitten natürlich sofort zu meinen 'Schwestern'. Und zu Caelan. Daher zögerte ich ein wenig mit der Antwort.
"Wir Selkies sind sehr gemeinschaftlich, aber... wir hegen keine tiefen Bande miteinander", erklärte ich langsam. "Wir leben in Gruppen, aber als ich an Land blieb und mein Fell nicht finden konnte, sind die anderen zurück ins Meer getaucht und ich habe sie nie wieder gesehen." Ich schwieg kurz, weil ich überlegte, wie und ob ich weitererzählen sollte, denn auch wenn meine Sehnsucht mich ins Meer und zu den Selkies zurückzog, war das tiefste Band, das ich bisher geknüpft hatte, schon mit Caelan. Aber das war komplizierter...
"Nach meiner Flucht von dem Magier war ich zwar mit anderen zusammen, aber ich musste zum Meer... Uns Selkies zieht es immer zum Meer zurück. Das hätten sie nicht verstanden. Und... ich glaube ich bin nicht gut darin, enge Bande zu knüpfen. Und sollte es nicht. Denn eines Tages werde ich hoffentlich ins Meer zurückkehren und... nun, wer weiß."
Ich wusste es, natürlich. Es würde Caelan das Herz brechen, wenn ich es zu weit kommen ließ. Es gab solche Geschichten zuhauf. Selkies kehrten immer ins Meer zurück, wenn sie konnten. Für Landbewohner brachten wir nur Leid.
Außerdem... fühlte ich wohl nicht das gleiche für Caelan, wie das was ich bei ihm manchmal begonnen hatte zu sehen, wenn er mich ansah. Und selbst wenn, durfte ich es erst recht nicht weiter kommen lassen.
Die Schlange hatte schon recht. Es war sicherer alleine. Zumindest was das Innere anging.
~Oh won't you come with me
Where the moon is made of gold
And in the morning sun
We'll be sailing free
Oh won't you come with me
Where the ocean meets the sky
And as the clouds roll by
We'll sing the song of the sea~ ~ ~ ~ ~