Re: Wald ohne Ende
von Caelan » Sa 24. Okt 2020, 05:01
„Ja, genau“, bekräftigte ich Yulivees Nachfrage. Mehr sagte sie nicht und ich wusste auch nicht genau woran es lag, aber ich hatte das Gefühl, dass sie wusste, was ich meinte. Und dass ihr das Gefühl nicht fremd war. Ich war jedenfalls schon froh, dass sie mich nicht schief anguckte oder auslachte. Am liebsten hätte ich ihr alles erzählt, was mir gerade auf dem Herzen lag, doch selbst mir war bewusst, dass wir dafür gerade keine Zeit hatten. Die Sonne näherte sich ungnädig immer weiter dem Horizont und die Schatten wurden mit jeder Sekunde, die ich hier tatenlos herumstand und grübelte, länger.
„Ach ja, eine Jacke…“, half ich mir selbst wieder auf die Sprünge und machte endlich Anstalten dem Wolfsmädchen in den Eingangsbereich des Hauses zu folgen. Es fühlte sich komisch an, durch diese Tür zu treten. Wie ein Teil aus einem anderen Leben, wenn nicht gar aus einer anderen Welt, der vertraut und dennoch so fremd war. Ich war noch nie in einem anderen Haus gewesen als dem von Alastair. Zumindest nicht, soweit ich mich erinnern konnte. Natürlich sah alles anders aus, aber eben auch auf merkwürdige Art und Weise vertraut. Zumindest entsprach es mehr dem, was ich kannte, als der Wald mit seinen hohen Bäumen, moosbewachsenen Felsen und rutschigen Abhängen. Noch ein bisschen zaghaft zog ich eine der Schubladen der Garderobe auf. Alastair hätte mich windelweich geprügelt, wenn er mich dabei erwischt hätte, einfach in Schubladen zu schauen, die mich nichts angingen. Aber der Magier war nicht hier… würde es nie wieder sein… Ein Kapitel war unwiderruflich geschlossen worden und ich wusste noch nicht so recht wie mir die ersten Seiten im neuen gefielen.
Ich fand ein paar Handschuhe und einen Schal und nahm beides an mich. Gut, das war noch nicht viel, aber besser als nichts. Und Cerielle war immer kalt. Vielleicht würde sie sich freuen. Ob sie ihr auch passten? Ich schlüpfte in einen der Handschuhe. Mir passten sie. Vielleicht ein bisschen groß, aber damit könnte ich leben. Aber die Selkie? Ihre Hände waren so klein und schmal… Die nächste Schublade folgte, doch darin waren nur Schuhcrème und Schnürsenkel zu finden. Die würden wir wohl hoffentlich nicht brauchen. Ich wandte mich der Schranktür zu und kramte in den darin hängenden Sachen herum, wurde jedoch nicht wirklich fündig. Bei dem großen Regenmantel fiel selbst mir auf, dass er jemandem wie Cerielle nicht nur bis zu den Knöcheln, sondern vermutlich sogar darüber hinaus gereicht hätte. Ein bisschen zögerlich wandte ich mich der Treppe zu. „Meinst du, ich kann auch oben nachsehen?“ Es war wohl wieder eine dumme Frage, denn genau dafür waren wir ja eigentlich da, aber ich hatte trotzdem Skrupel einfach so durch das Haus zu wandern. Was, wenn doch jemand kam? Jemand, wie Alastair, der keinen Spaß verstand? Andererseits würde die Nacht kalt werden. Und Cerielle ging es nicht gut. Sie brauchte eine Jacke und alles andere warme, was se bekommen konnte. Ich erklomm die ersten Stufen und nachdem mich dort nicht der Blitz getroffen hatte auch die nächsten.
Caelanschlanke Gestalt, 1,75m, beinahe weiße Haare, türkise Augen, meist verborgene Flügel in silbrigem Ton