Zwischen Tod und Leben




Es gibt mehr als nur das, was wir sehen können. So genannte Ebenen, die parallel zu unserer Wirklichkeit existieren, zeigen Facetten ebendieser, die normalen Augen verborgen bleiben. Und manchmal tun sich Wege auf, diese Ebenen zu betreten...

Re: Zwischen Tod und Leben

Beitragvon Josy » Mi 20. Sep 2023, 11:53

Also nicht. Ich schloss den Schrank wieder, nahm aus einem anderen aber dafür ein Glas heraus, das ich mit Wasser füllte.
Ich antwortete nicht sofort auf die erneute Frage des Jungen. Er beharrte also darauf... Na schön. Ich hatte gute Gründe, warum ich es mit den Antworten nicht eilig hatte, aber das konnte der Junge natürlich nicht wissen. Deswegen hatte ich ja auch vor, es ihm zu erklären. Und dann konnten wir sehen, wie es weiterging...
Mit dem Glas in der Hand kam ich zu dem Jungen zurück, der noch in der Nähe des Eingangs beim Sofa stand.
"Setz dich", sagte ich ruhig und deutete auf das Sofa, ehe ich das Glas mit dem Wasser vor ihm auf dem Wohnzimmertischchen abstellte, auf der Seite des Jungen. Konnte gut sein, dass er es brauchen würde, denn was ich zu sagen hatte dürfte wohl nicht so leicht zu verdauen sein.
Ich selbst zog einen Stuhl vom Esstisch heran und setzte mich auf die andere Seite des Tischchens, schräg gegenüber dem Jungen, bei dem ich darauf wartete, dass er meiner Aufforderung nachkam. Mein Blick blieb so lange auf ihm ruhen, bis er sich gesetzt hatte, und auch danach einen kurzen Moment schweigend.
"Du sollst wissen, dass das was ich zu sagen habe nicht ganz einfach zu verkraften und schon gar nicht angenehm sein wird. Es könnte sein, dass es dich durcheinanderbringt und einiges aufwühlt. Du wirst nicht mehr den Frieden haben, den wir bisher hier hatten. Das ist die eine Sache." Ich machte eine Pause, den Blick immer noch aufmerksam auf dem Jungen. Wenn es nur das wäre, dann wäre es nicht einmal so schlimm, vor allem da ich befürchtete, dass dieser Prozess ohnehin schon in Bewegung gekommen war, sicher auch durch meine Schuld. Das war ja nicht unbedingt schlecht. Er konnte nicht ewig hier in unserer Wattewolke sitzen.
Das Problem war das andere...
"Außerdem...", fuhr ich fort "ist dieser Ort hier nämlich nicht von Dauer. Sobald ich dir sage, was hier los ist, bringe ich damit Dinge ins Rollen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Nicht nur für dich, sondern auch für uns beide hier. Ich kann dir nichts Genaues sagen, ohne dass du weißt, worum es geht, aber wenn ich dir alles erzähle, dann ist es gut möglich, dass dieser Ort hier nicht mehr sicher sein wird und wir bald fliehen müssen. Und dann wird es schwierig werden, wieder einen sicheren Ort zu finden, vielleicht sogar unmöglich."
Wieder machte ich eine kurze Pause und gab ihm Zeit, das Gesagte zu verdauen. Es war ernst und das machte ich auch klar. Keine Witze mehr.
"Also... Bist du sicher, dass du alles jetzt wissen willst? Auch wenn die Zeit der Erholung dann vorbei sein wird? Auch wenn es dir nicht gefallen wird?"
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von Anzeige » Mi 20. Sep 2023, 11:53

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Re: Zwischen Tod und Leben

Beitragvon Sohma » Di 10. Okt 2023, 09:31

Sein Augenmerk ruhte auch weiterhin auf dem Mädchen und er beobachtete sie dabei wie sie ein Glas aus dem Schrank holte, es mit Wasser füllte und schließlich zu der Sitzecke trat. Erst, als sie ihn aufforderte, sich zu setzen, kam Bewegung in ihn. Langsam und auch ein wenig zögerlich trat er näher und setzte sich schließlich auch dort hin, wo das Mädchen das Glas auf dem Tisch abgestellt hatte. Sie selbst setzte sich auf einen Stuhl, den sie ihm gegenüber auf der anderen Seite des Wohnzimmertischs positionierte.
Während er sich noch ziemlich sicher gewesen war, die Wahrheit zu hören, änderte sich das als seine Begleiterin schließlich den Mund öffnete und ihn zunächst einmal vorwarnte. Das war auch unschwer in seinem Gesicht zu sehen; der entschlossene Ausdruck in den Augen wich Unsicherheit und Zweifel, denn das, was das Mädchen sagte, klang nicht nur verrückt, es war für ihn auch schwer vorstellbar, was das alles heißen sollte...und vor allen Dingen, warum sich alles ändern würde, würde er die Wahrheit hören. Plötzlich war er sich nicht mehr sicher, ob er überhaupt auch nur ansatzweise verstand, was hier vor sich ging...
Er schwieg und senkte den Blick während sich Stille zwischen ihnen beiden breit machte. So, wie es klang, war die Alternative, weiterhin in Unwissenheit zu sein, dafür aber sicher und ohne vor was-auch-immer zu fliehen. Aber...das fühlte sich irgendwie nicht richtig an. Was brachte es ihm, in Sicherheit zu sein, wenn er wusste, dass das nur eine...eine Illusion war?
Der Junge atmete tief durch, hob zögerlich den Blick in das Gesicht des Mädchens an...und nickte schließlich. "Ja, ich will es jetzt wissen", sagte er entschlossen.
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Re: Zwischen Tod und Leben

Beitragvon Josy » Sa 14. Okt 2023, 14:11

Schweigend beobachtete ich den Kleinen und war zufrieden damit, dass auch er nicht sofort antwortete, sondern sich das ganze offenbar durch den Kopf gehen ließ. Das war gut. Das hieß, dass er meine Worte ernst nahm.
Trotzdem entschied er sich schließlich dafür, das hier zu beenden. Denn genau das bedeutete es früher oder später, wenn ich ihm erzählte, was los war. Seine Unsicherheit von vorhin war verschwunden. Er wollte es wissen.
Ich nickte nur als Antwort und senkte den Blick ein paar Momente lang, um zu überlegen, wie ich am besten anfing. Ich war zwar nicht erfreut, denn seine Entscheidung bedeutete auch für mich, dass ich keine Zeit mehr haben würde, mich weiter zu erholen. Aber ich hatte ihm die Entscheidung überlassen und respektierte das auch.
"Du hast sicher schon herausgehört, dass etwas hinter uns her ist", begann ich nach ein paar Momenten und sah den Jungen wieder an. "Es ist etwas sehr Gefährliches, das kein Mitleid und keine Liebe kennt, nur Hass und Zerstörungswut. Es schläft nicht und wird nie satt. Es frisst die Seelen anderer Wesen und ernährt sich davon. Es besteht praktisch nur aus Dunkelheit, und damit meine ich, böser Dunkelheit. Meistens nennt man es einen Dämon."
Ich war sehr aufmerksam, nicht nur dem Jungen gegenüber, sondern auch meiner Umgebung, auch wenn der Kleine davon nicht viel merken würde. Wir waren zwar in diesem Haus, alles war geschlossen und niemand war in der Nähe, aber...
"Ich habe uns hierher gebracht, um uns vor ihm zu verstecken. Er hat unsere Spur wohl verloren, deshalb sind wir hier eine Weile sicher. Er muss uns erstmal wieder finden", fuhr ich fort und musste jetzt doch verschmitzt lächeln. Aber nur für einen Moment.
"Früher oder später wird er einen Weg finden. Im Moment sind wir nur sicher, weil er nicht weiß wo wir sind, aber... allein schon über ihn zu reden, an ihn zu denken, könnte ihn auf unsere Spur locken. Vor allem..." Diesmal hob ich den Zeigefinger, um anzuzeigen, dass es wichtig war. "...von ihm zu träumen. Und ich glaube, das hast du bereits getan."
Er hatte sich zwar nicht mehr an viel aus seinem Traum erinnern können, aber das Gefühl, das er dabei gehabt hatte, und auch den Eindruck, den ich gehabt hatte, sprachen dafür.
"Träume können an einem Ort wie diesem ein Weg in eine andere Ebene sein. Oder eine Verbindung zu ihm. Eine Spur, der er folgen könnte. Gegen Träume kann man nicht viel machen, aber wir sollten uns nicht zu viel mit ihm beschäftigen oder über ihn nachdenken. Vor allem du nicht. Das heißt nicht, dass er jetzt sofort weiß wo wir sind, aber je mehr Spuren wir ihm geben, desto schneller findet er uns. Deshalb... hat es jetzt begonnen. Er wird unsere Spur irgendwann finden, und dann müssen wir schnell hier weg. Ich habe dich gewarnt." Ich zog die Schultern hoch und lächelte leicht. Es war kein Vorwurf, aber er musste wissen, womit wir es zu tun hatten. Deshalb hatte ich auch beschlossen, mit der akuten Gefahr anzufangen. Außerdem war es gleichzeitig das... am wenigsten gefährliche Thema, paradoxerweise. Das am wenigsten persönliche. Hätte ich am anderen Ende angefangen, wäre der Kleine vielleicht ziemlich geschockt gewesen.
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Re: Zwischen Tod und Leben

Beitragvon Sohma » Mi 1. Nov 2023, 07:54

Der Junge faltete die Hände vor sich im Schoß und drückte die Fingerkuppen auf die Handrücken der jeweils anderen Hand. Damit wollte er verhindern, dass er begann, die Finger fahrig zu bewegen, was seine Ungeduld und Nervosität verraten hatte, die nun wieder stieg während er das Mädchen beobachtete und darauf wartete, dass sie begann, zu erklären. Er drängte sie nicht. Er vertraute darauf, dass sie seine Worte ernst nahm und ihm nun alles erzählte und nicht wieder auswich und ihn mit anderen Aussagen abspeiste.
Womit seine Begleitung dann begann, war tatsächlich nichts Neues, weswegen er langsam nickte. Ja, das dieser Geisterfresser oder wie sie es genannt hatten, hinter jedem her war, der es wagte, sich ihm zu nähern, hatte er verstanden. Und auch das es eine üble Kreatur sein musste, war nun nicht unbedingt etwas Neues. Aber dann wurde sie genauer; das Mädchen wusste ganz genau, was diese Kreatur war. Sie nannte es Dämon.
Die Stirn des Jungen legte sich in tiefe Falten als auch klar wurde, dass dieses Wesen gar nicht hinter jedem her zu sein schien...sondern speziell hinter ihnen beiden?
"Oh", machte er leise als er verstand, dass das Problem hinter allem die Tatsache war, dass er nun von diesem Dämon wusste, was es ihm ermöglichen würde, sie schneller oder überhaupt zu finden, "...ich verstehe..."
Er blinzelte langsam und senkte den Blick, während er das Gesagte verarbeitete. Auch wenn er nach wie vor sehr viele Fragen hatte und nun noch mehr aufgetaucht waren, machte alles, was das Mädchen sagte, erstaunlich viel Sinn. Und den Traum, den er gehabt hatte. Er konnte sich noch immer nicht an ihn erinnern, aber dieses Gefühl als er wieder aufgewacht war...
Er zog die Schultern hoch und schüttelte die Kälte ab, die versuchte, bei dem Gedanken daran in ihm hoch zu kriechen. "Und...wo sind wir hier?", fragte er und hob seinen Blick wieder zu dem Mädchen an, "du sagst du hast uns her gebracht, um uns vor ihm zu verstecken....was ist das hier und wohin können wir fliehen wenn er uns gefunden hat?" Von der Umgebung wusste er nach wie vor nichts und er hatte wirklich keine Ahnung, wo sie sich hier befanden...oder..."ich erinnere mich nicht, wo ich vorher gewesen bin", sagte er leise. Das stellte er gerade selbst fest. Er erinnerte sich an überhaupt nichts. Als wäre nie etwas zuvor da gewesen...
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Re: Zwischen Tod und Leben

Beitragvon Josy » Di 7. Nov 2023, 12:51

Ich schwieg zunächst einmal, nachdem ich mit den ersten Erklärungen fertig war, und ließ den Kleinen das verdauen. Er nahm es aber tatsächlich besser auf, als ich gedacht hatte. Das erleichterte mir die Arbeit. Wenn er nachdenken und seinen Verstand einsetzen konnte, konnte er mir helfen. Eine ganze Weile lang schon hatte nur ich ihn mitgezogen, getragen und beschützt. Ich konnte das auch nicht ewig machen. Klar konnte der Junge hier wohl nicht so viel ausrichten, aber ein zweiter Kopf konnte vielleicht trotzdem helfen.
Und wer konnte schon wissen, zu was der Junge fähig sein würde? So einen Fall wie ihn hatte es bestimmt noch nicht oft gegeben, wenn überhaupt. Wer konnte schon wissen, zu was der Kleine sich in diesen Ebenen noch entwickeln konnte.
Als er sich schließlich wieder an mich wandte und weiter fragte, nickte ich zuerst nur kurz auf seine Worte hin. Auch dieses Thema war recht harmlos und ich hatte ja schon einmal damit angefangen, dass es verschiedene Ebenen gab, aber es war wohl schwierig zu verstehen und außerdem war der Kleine damals wohl auch noch nicht so weit gewesen wie jetzt.
Bevor ich aber zu einer Antwort kam, machte der Junge eine andere Bemerkung, die im Grunde sehr viel bedeutsamer war. Nämlich, dass er sich nicht erinnern konnte.
"Ah", machte ich, als kämen wir nun ans Eingemachte, und lächelte leicht. "Das ist zwar schade... Aber nicht weiter überraschend. Du hast ziemlich viel durchgemacht." Mein Lächeln war schon wieder verblasst, denn lustig war das ganze wirklich nicht. Keine Ahnung, wie der Kleine das alles überlebt hatte – wenn man das leben nennen konnte – aber das schaffte sicher nicht jeder.
"Ich kann dir nur das sagen, was ich weiß, und das ist nicht viel. Aber eins nach dem anderen. Hier sind wir in einer Ebene, die der Wirklichkeit sehr nah und sehr ähnlich ist, sozusagen ein Abbild der Wirklichkeit. Ich sagte ja schon, es gibt viele verschiedene Ebenen, und manche Wesen, so wie ich, können zwischen ihnen hin und her wechseln. Wenn er uns findet, müssen wir uns eine andere Ebene suchen, am besten eine, in die er uns nicht so leicht folgen kann, oder einen Weg dahin wählen, den er nicht hinterher kommen kann. Das ist schwierig und kostet Kraft. Ideal wäre ein Versteck wie dieses hier. Einfach ein abgeschotteter Ort mit möglichst wenig Spuren nach außen."
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Re: Zwischen Tod und Leben

Beitragvon Sohma » So 12. Nov 2023, 15:57

Es kam nicht gerade selten vor, dass der Junge die Stirn runzelte und gerade war es auch wieder soweit als das Mädchen ihm eröffnete, dass er sehr viel durchgemacht hatte und er sich deswegen an nichts erinnern konnte. Erklären, was genau sie damit meinte, also was er durch gemacht hatte das er sich an nichts erinnern konnte, tat sie mal wieder nicht, doch er kam auch nicht dazu, nachzufragen weil es nicht das Einzige war, das sie von sich gab.
Er nickte auf die Erklärungen und lauschte ihr aufmerksam. Das mit den Ebenen hatte sie ja bereits erklärt, doch er verstand es nun ein wenig besser, auch wenn es sich für ihn noch immer alles irgendwie...abstrakt anhörte. Es erklärte für ihn noch immer nicht genau, wo sie hier waren, was dieses Haus war, der Garten und das Dorf, in dem sie zuvor gewesen waren. Und diese ganzen Wesen, die hier zu finden waren. Es war schwer, das alles zu verstehen, aber er versuchte es.
"Und...", begann er dann zögernd und beugte sich ein wenig vor, "und wie sind wir hierher gekommen? Was hat es mit allem hier auf sich?" Waren sie schon immer hier gewesen und auf der Flucht vor wem-auch-immer? Ein bisschen wiederholte sich das Mädchen, fand er, doch vielleicht war das auch einfach ihre Art und es war auch nicht so einfach zu erklären? Vielleicht war auch er schwer von Begriff? Er wusste es nicht, doch ihre Unterhaltung warf immer mehr und mehr Fragen auf anstatt sie zu beantworten.
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Re: Zwischen Tod und Leben

Beitragvon Josy » Fr 17. Nov 2023, 14:24

Zum Glück fragte der Kleine noch nicht nach, was nun genau mit ihm passiert war. Das würde ihm sicher nicht gefallen, daher wollte ich mir das lieber noch für etwas später aufheben und zuerst den Rest klären. Stattdessen fragte er noch einmal wegen dieser Ebene nach. Ich hatte es ihm zwar alles schonmal erklärt, aber vielleicht war es für ein Wesen, das normalerweise nichts mit solchen Dingen zu tun hatte und auch nicht mit solchen Geister-Themen vertraut war, auch schwierig, es nachzuvollziehen. Konnte ich nicht einschätzen, denn für mich war es normal. Aber ich war ja auch ein Geist.
Ich überlegte einen Moment lang, wie ich dem Jungen das alles besser erklären sollte, aber wenn man nur das kannte, was man sehen konnte, war das wohl echt schwierig. Vielleicht würde er es auch besser verstehen, wenn wir in eine andere Ebene gingen.
"Also gut, pass auf", versuchte ich es und lehnte mich ein wenig vor. "Du kannst dir die anderen Ebenen so vorstellen, dass sie neben der Wirklichkeit existieren, sozusagen über ihr drüber. Der Raum ist der gleiche, aber neben der Wirklichkeit in diesem Raum, gibt es eine andere Ebene, in der andere Wesen sind, die in der Wirklichkeit unsichtbar sind und für die meisten Wesen nicht wahrzunehmen. Wie eine unsichtbare, zweite Welt - nur dass es mehr davon gibt, die näher oder weiter weg von der Wirklichkeit sind. Es ist wie ein Vorhang, der dazwischen liegt, und jemand wie ich kann durch den Vorhang in eine andere Ebene schlüpfen. Je nachdem, wie nah die Ebene der Wirklichkeit ist, und auch welche Ebene es ist, sind sie eben so ähnlich wie die Wirklichkeit - oder völlig anders. Das kommt ganz darauf an."
Soviel zum Grundsätzlichen. Ganz so einfach war das Wechseln zwar nicht, aber das führte jetzt zu weit und war gerade auch nicht so wichtig. Ich machte eine Pause und sah den Jungen aufmerksam an, um zu sehen, ob er wenigstens halbwegs mitkam. Besser konnte ich es auch nicht erklären. Aber das wichtige kam jetzt erst.
"Das hier ist nicht die Wirklichkeit. Alles was du hier siehst ist so gesehen nicht real. Es ist nur ein Abbild von der Wirklichkeit, eine Kulisse.
Wir sind zwar real, aber das was du als unser Aussehen wahrnimmst, ist es nicht. Vielleicht siehst du gar nicht so aus. Oder vielleicht doch, wer weiß. Vielleicht siehst du dich selbst so, oder stellst dir dich selbst so vor. Vielleicht ist es auch eine Erinnerung und du sahst früher mal so aus. Oder vielleicht ist es nur eine Projektion deines Unterbewusstseins, die deinen Eigenschaften eine Gestalt gibt." Ich hob die Schultern. "Wir sind im Augenblick körperlose Geister und was du siehst ist nur das, wie wir gesehen werden wollen, bewusst oder unbewusst."
Gut, das war wahrscheinlich wirklich schwierig zu verstehen und vielleicht auch zu verdauen. Ich wusste auch nicht, ob ihm das weiterhalf, aber es war nunmal das, was es mit allem hier auf sich hatte. Er gehörte nicht hierher und brauchte sich auch gar nicht allzu heimisch zu fühlen. Ich setzte mich wieder etwas entspannter hin.
"Ich hab uns hierher gebracht. Ich habe eine Ebene gewählt, die so ähnlich wie die Wirklichkeit ist, um deinem menschlichen Verstand etwas Vertrautes zu geben, damit dein Geist wieder eine Form annehmen kann und sich daran erinnert, wie es ist, ein normales Wesen zu sein. Weil wir vorher in einer Ebene waren, die viel, viel weiter weg von der Wirklichkeit und allen festen Formen war. Deshalb musst du dich erst wieder an all das hier gewöhnen. Du merkst davon wohl nichts, das ist dein Unterbewusstsein.
Und natürlich wollte ich unseren Verfolger loswerden. Daher habe ich diesen Bereich der Ebene großteils abgeschottet und uns hier versteckt, damit er uns nicht findet. Wie ein verschlossenes Zimmer."
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Re: Zwischen Tod und Leben

Beitragvon Sohma » Do 7. Dez 2023, 21:42

Vielleicht hätte er seine Frage etwas anders formulieren sollen, denn der Junge hatte so mehr oder weniger verstanden, wo sie sich befanden und…naja, wirklich eine Vorstellung davon hatte er nicht aber aus dem Mund des Mädchens klang es so, als würde alles einen Sinn ergeben. Vielmehr begann er sich eher zu fragen, warum das alles überhaupt geschah. Er unterbrach das Mädchen jedoch nicht, denn es war auch gut, noch einmal eine genauere Erklärung über diesen Ort zu hören…vielleicht war es einfach zu viel für seinen Kopf, aber er wurde das Gefühl nicht los, dass alles noch komplizierter wurde, je mehr er wusste. Und das sie ganz sicher nicht schon immer hier gewesen sind, um vor diesem Dämon zu fliehen. Darum war es in seiner Frage gegangen.
Sein Mund öffnete sich leicht als seine Begleiterin fortfuhr und etwas gänzlich Neues sagte, womit sie dann tatsächlich seine Fragen von zuvor beantwortete. Es kam so einiges von ihr und es wäre eine Lüge gewesen, hätte er behauptet, alles verstehen zu können. Was er jedoch gut verstand war, dass sie beide körperlose Geister waren. Etwas, das wirklich sehr schwer zu verstehen war für ihn.
Er senkte den Blick und ließ ihn an sich herunter gehen, hob schließlich die Hände und betrachtete sie. Ich bin ein Geist, ging es ihm durch den Kopf. Er wusste nicht, was die Tragweite dieses Fakts tatsächlich war, denn er konnte sich an nichts erinnern…und deswegen war er tatsächlich nicht wirklich geschockt. Er…versuchte nur zu verstehen, dass das, was er sah, gar nicht wirklich da war.
Er reagierte nicht sofort nachdem das Mädchen geendet hatte, er brauchte einige Momente, um das Gesagte auf sich wirken zu lassen und es zu verarbeiten. „Ich…komme also von dieser…Wirklichkeit?“ Er blinzelte langsam und hob den Blick wieder zu dem Mädchen an. Er verband nichts mit diesem Wort, aber es erklärte, warum er sich hier ein wenig wie ein Fremdkörper fühlte. Er und das Mädchen…für ihn fühlte es sich nicht so an, als würden sie beide her gehören, auch wenn seine Retterin sich hier scheinbar ziemlich gut auskannte.
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Re: Zwischen Tod und Leben

Beitragvon Josy » Fr 22. Dez 2023, 12:50

Nachdem ich geendet hatte, schwieg ich zunächst wieder eine Weile, in meinem Stuhl zurückgelehnt, und betrachtete den Jungen, der sich seine Hände ansah und mit Sicherheit darüber nachdachte, dass dieser Körper gar nicht wirklich real war. Er wirkte dabei aber relativ ruhig und ich ließ ihm auch die Zeit und schwieg einfach. Meine Aufmerksamkeit lag halb auf ihm und halb auf der Umgebung. Doch um uns herum war alles ruhig.
Von friedlich konnte dagegen nicht die Rede sein, zumindest nicht für mich. Aber ich wusste ja auch was Sache war. Wahrscheinlich war es nur das Wissen um die Bedrohung und Düsternis der Sache, die dafür sorgte, dass ich nicht dieser Illusion verfiel. Das, und weil ich mehr sah als der Kleine.
Schließlich nickte ich bei seiner Frage, ohne dass sich an meinem Blick auf ihn etwas änderte, die Arme vor der Brust verschränkt. "Ja. Von der Wirklichkeit. Und dorthin werde ich dich auch wieder zurückbringen, wenn ich kann. Ich versuche es jedenfalls." Ich senkte den Blick und ließ ihn über den Tisch und das Glas darauf schweifen.
Ich musste wirklich verrückt sein, das alles hier zu tun... Aber nunja, wahrscheinlich war ich das ein wenig. Der Tod bekam dem Verstand nicht so gut.
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Re: Zwischen Tod und Leben

Beitragvon Sohma » Mo 11. Mär 2024, 08:08

Auch wenn der Junge äußerlich einen ruhigen Eindruck machte und es zunächst nicht so schien als würden ihn die Dinge, die das Mädchen ihm erzählt hatte, beunruhigen, trog der Schein. In seinem Kopf ratterte es ordentlich, während er versuchte, zu begreifen, was all diese Dinge bedeuteten…doch es war so schwer für ihn, es auch wirklich zu verstehen. Es war schwer zu begreifen, dass alles, was er hier sah, nicht real war, noch nicht einmal er selbst. Er ballte die Hände zur Faust und löste sie wieder, senkte den Blick noch einmal und sah an sich hinab, während er das Sofa spürte, auf dem er saß und den Boden, auf dem sich seine Füße befanden…es fühlte sich nicht so an, als wäre das alles gar nicht wirklich da oder nur so, weil er oder das Mädchen es sich zurecht gedacht hatte. Wie war das alles möglich? Wie konnte es sein, dass all das nur da war, weil das Mädchen es erschaffen hatte…damit sie ihn wieder zurück in diese Wirklichkeit bringen konnte…weil sie nicht hierher gehörten…oder weil er nicht hierher gehörte...
Der Junge nickte noch einmal leicht und ziemlich abwesend und deswegen eher unterbewusst, nachdem das Mädchen seine Frage beantwortet hatte, doch ansonsten schwieg er, während er über das Gesagte nachdachte…er war damit gerade etwas überfordert, er brauchte erst einmal Zeit, um das alles zu sortieren und irgendwie zu verdauen. Er fühlte sich gerade ziemlich verloren...
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Re: Zwischen Tod und Leben

Beitragvon Josy » Sa 13. Apr 2024, 10:32

Schweigend beobachtete ich den Jungen weiter für eine Weile, während man praktisch sehen konnte, wie es in seinem Inneren arbeitete. Ich zumindest konnte es sehen. Und ich unterbrach ihn dabei auch nicht, sondern wandte auch irgendwann den Blick ab und ließ ihn durch den Raum schweifen. Oder über das, was nur ich sehen konnte.
Ich hatte durchaus gute Gründe zu hoffen, dass es noch eine Weile dauern würde, bevor er uns aufgespürt hatte. Dafür hatte ich gesorgt. Aber diese Welt funktionierte nunmal anders und Gedanken waren mächtiger als in der Wirklichkeit. Je mehr Gedanken der Kleine an die falschen Dinge verschwendete, umso schwieriger wurde es für uns.
Im Moment aber war alles ruhig. Um uns herum zumindest, nicht im Inneren des Jungen.
Ich schwieg und ließ ihm eine lange Zeit zum Nachdenken. Vielleicht kamen ihm dann noch weitere Fragen, denn es war noch längst nicht alles gesagt. Beinahe das Wichtigste hatte ich ihm noch gar nicht erzählt. Und das war mit Sicherheit auch das, was ihn am meisten aus der Bahn werfen würde, weil es ihn nunmal am meisten betraf. Wie er darauf reagieren würde und was dann geschehen würde, konnte ich nicht abschätzen. Daher wollte ich es auch nicht überstürzen. Die Frage würde mit Sicherheit schon irgendwann kommen.
"Wenn du Zeit brauchst, um dich auszuruhen, tu das ruhig. Ich passe schon auf", sagte ich nach einer ziemlich langen Weile, als es still blieb zwischen uns. Ich hätte auch so lange warten können, bis er die Stille von selbst wieder brach, aber vielleicht verlor er sich bis dahin in seinen eigenen umherwirbelnden Gedanken, die gerade mit Sicherheit ziemlich durcheinander waren.
Aber vielleicht war sein Durst nach Antworten ja auch noch nicht gestillt, jetzt wo ich ihm eine Weile Zeit gelassen hatte, das Gehörte zu verdauen.
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