[Yulivee]

Ich nickte nur, denn auch wenn ich genau wusste was Caelan meinte, hatten wir jetzt keine Zeit, über sowas nachzudenken. Morgen, wenn es hell war, konnten wir alles nachholen, aber nicht jetzt. Jetzt hieß es, schnell das Nötigste für die Nacht zusammensuchen und dann verschwinden.
Schon huschte ich zu der Tür, die vom Wohnzimmer abging, und öffnete sie. Dahinter kam eine Küche zum Vorschein. Zwar wusste ich nicht genau, ob es hier überhaupt noch was zu Essen gab, oder ob schon alles geplündert worden war, aber ich trat trotzdem ein, riss eilig einige Schränke auf und fand in einem tatsächlich ganz hinten ein paar Gläser, scheinbar mit eingelegten Früchten. Immerhin etwas das ich kannte und identifizieren konnte, weshalb ich zwei von den Gläsern auch gleich mitnahm, viel mehr würde wohl zu schwer sein und mich auf dem Weg nur behindern. An einem Türgriff hingen einige Einkaufstaschen, in eine davon packte ich die Gläser und trat zurück ins Wohnzimmer.
Die Tasche ließ ich nahe der Eingangstür stehen, wobei ich an Caelan vorbei lief, der sich irgendwie noch nicht groß vom Fleck gerührt zu haben schien. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, ihn schonmal los zum See zu schicken. Einen Augenblick lang sah ich ihn mit zuckenden Ohren an.
"Na klar. Beeil dich!", mahnte ich und hastete nun selbst die Treppe nach oben, wo ich die Zimmertür rechts des kleinen Flurs wählte. Ein Schlafzimmer! Die Decke auf dem Bett war zu groß und dick, um sie mitzunehmen, aber auf einem Sessel daneben war noch eine etwas leichtere und dünnere Decke, die immer noch warm genug sein würde. Die schnappte ich mir und warf auch einen Blick in den Schrank, zog einen Stapel Kleidung heraus, der achtlos zu Boden fiel, und griff nach etwas das dick und warm aussah. Ein hellgrauer Pulli.
"Bist du fertig? Wir müssen los", rief ich Caelan zu, wo auch immer er gerade war, und lief zurück zur Treppe, meine Beute im Arm. Wenn er nicht gerade Wurzeln schlug, lief ich auch schonmal die Treppe runter und stopfte den Pulli mit in die Tasche zu den Gläsern; die Decke war zu groß dafür, die nahm ich unter den Arm.
"Komm schon Caelan, es wird gleich dunkel! Sonst schaffen wir es nicht", rief ich ihm zu und wartete an der Haustür. Bis die Sonne unterging, schafften wir es vielleicht sowieso nicht, aber vielleicht hatten wir Glück und es waren zumindest keine Ungeheuer in der Nähe, bis wir beim See waren.

[Caelan]

Yulivee schien deutlich weniger Bedenken zu haben als ich. Sie überholte mich noch auf der Treppe und verschwand ohne großes Zögern in einem der Zimmer. Mich befiel ein schlechtes Gewissen und ich konnte noch nicht einmal sagen, welcher Anteil größer war: Der den eigentlichen Bewohnern gegenüber oder Yulivee und Cerielle, die sich darauf verließen, dass ich mich nützlich machte. Schließlich überwog der zweite Gedanke und ich rang mich dazu durch ebenfalls ein Zimmer zu durchsuchen. Es schien eine Art Abstellkammer zu sein und ich dachte schon, dass es hier nichts Brauchbares geben würde, denn mit Fußbodenreiniger würden wir die Monster kaum zurückschlagen können, doch dann fiel mein Blick auf ein paar Packungen Kekse und Knäckebrot. Vielleicht nicht das beste, nicht das gesündeste, aber was im Magen. Ich wandte mich um und entdeckte noch etwas Interessantes. Waren das nicht Medikamente? Solche wie Cerielle sie genommen hatte? Auch die stapelte ich hektisch auf meine Beute und hoffte, dass irgendetwas davon das richtige war und nicht nur gegen Blähungen half.
Yulivee war im anderen Raum anscheinend schon fertig, denn ich hörte ihre Stimme und kurz darauf auch ihre Schritte auf der Treppe. „Ich hoffe…“, gab ich etwas leiser zurück. Ich hatte noch immer Angst, dass man uns entdeckte. Und nun beschlich mich auch noch die Angst, dass ich irgendetwas Brauchbares übersehen haben könnte. Aber das Wolfsmädchen hatte ja auch Recht: Wir hatten keine Zeit, um alles zu durchsuchen. Aber Cerielle hätte es bestimmt besser gemacht, wenn sie nicht verletzt gewesen wäre. Schon zog ich die Schultern wieder ein wenig hoch in Erwartung von Vorwürfen, warum ich dies oder jenes nicht mitgebracht oder gefunden hatte. Dennoch blieb mir nichts anderes übrig, als schnell die Treppe hinunter zu laufen. „Wie…. wie lange haben wir denn bis zu dem See?“, fragte ich das Wolfsmädchen etwas atemlos. Ich hatte ja keine Ahnung. Ich war nie wirklich draußen gewesen und das fühlte sich immer noch schrecklich an, weil ich die normalsten Dinge nicht wusste oder nicht verstand. Meine Beute trug ich vor mir her in den Armen ohne auf die Idee zu kommen mir auch einen Beutel zu nehmen oder Yulivee nach dem Ort zu fragen, wo sie ihren her hatte.

[Yulivee]

Kurz nach mir kam auch Caelan die Treppe herunter und hielt ein paar Packungen in den Händen, die ich nicht identifizieren konnte, aber für irgendwas würden sie schon gut sein. Ich hielt ihm die Einkaufstasche offen hin, damit er die Sachen da reinfallen lassen konnte, wenn er wollte.
"Hmm... Ein Stückchen ist es schon noch", meinte ich und lief nach draußen, die Tasche jetzt über meine Schulter gehängt und in der anderen Hand die zusammengefaltete Decke. Aufmerksam hob ich den Kopf und spitzte die Ohren, während ich versuchte einen ungewöhnlichen Laut oder einen Geruch wahrzunehmen. Noch war es nicht so weit, aber die Sonne stand ziemlich tief. Von Roku und Cerielle war nichts mehr zu sehen. Vielleicht schafften wir es ja doch noch.
"Komm. Wenn wir da sind, können wir ausruhen", sagte ich und drehte mich dabei wieder zu Caelan um, dem ich einen aufmunternden Blick zuwarf. Auch wenn unsere Lage noch alles andere als sicher war, war ich zuversichtlich. Ich streckte Caelan die Hand entgegen, damit er sie nehmen konnte. Und dann lief ich mit ihm zusammen los in Richtung See. Der Wald blieb noch eine Weile zu unserer Rechten, bis er schließlich hinter einem strauchbewachsenen Hügel verschwand.

----> Blue Lake

[Caelan]

Ich brauchte einen kleinen Moment um die Medikamentenschachteln in Yulivees Beutel zu werfen, musste aber zugeben, dass es so tatsächlich einfacher war. Den Rest konnte ich deutlich besser tragen. Nur... "Soll ich dir etwas abnehmen?" Ich kam mir etwas dumm vor, mit den wenigen Sachen, während Yulivee Decke und Beutel trug. Die Schatten wurden länger, während wir durch die Straßen eilten und das Dorf rasch hinter uns ließen. Wie gerne hätte ich mir das Dorf noch etwas länger angeschaut, jetzt, da ich endlich hier war. Doch dem Ganzen nachzutrauern brachte jetzt auch nichts. Ich zögerte einen Moment, als das Wolfsmädchen mir seine Hand hinhielt, griff dann jedoch nach ihr ohne mir groß etwas dabei zu denken. Vielleicht machte man das so. Warum wusste ich zwar nicht, aber ich wollte auch nicht noch mehr Zeit mit dummen Fragen verbringen. Wir mussten zu Cerielle aufschließen. Hoffentlich ging es ihr gut.

tbc Blue Lake