Re: Zwischen Tod und Leben
von Josy » Di 1. Jun 2021, 19:52
Wie ich mir schon fast gedacht hatte, war der Kleine sofort mit meinem Vorschlag einverstanden. Ich lächelte und stand dann auch ohne Umschweife auf, was er kurz darauf ebenfalls tat.
"Na dann wollen wir mal, hm?" Schwungvoll wandte ich mich um und trat in Richtung der Haustür, die unverschlossen war. Der dicke Türknauf quietschte ein wenig, als ich ihn drehte und dabei dem Jungen noch einen Blick zuwarf, ehe ich die Tür öffnete und einen Schritt nach draußen ins blasse Sonnenlicht tat.
Wenn man die Wirklichkeit gewohnt war, fiel es hier draußen noch stärker auf, wie blass die Farben waren. Vor uns lag ein ordentlicher, wenn auch nicht übermäßig gepflegter Vorgarten, durch den ein Weg aus alten Steinplatten von der Haustür bis zum Gartentörchen verlief, das etwa zehn Schritte entfernt in einer niedrigen, steinernen Mauer lag. Links des Weges waren mehrere Gemüsebeete angelegt und eine Pumpe mit einem Eimer stand neben dem Haus und sorgte wohl für frisches Wasser hier. Rechts des Weges wuchsen ein Haufen Blumen, die blass-bunte Farbtupfer auf die Wiese sprenkelten. Ein alter, kleiner, knorriger Baum stand da auch, und ein Stück daneben, an der Gartenmauer, eine weiße Holzbank.
Ich blieb auch nicht lange in der Tür stehen, sondern nahm alles mit einem schweifenden Blick in mich auf und folgte dem Weg bis zur Gartenpforte. Selbst der Junge, der kleiner war als ich, konnte problemlos über die Mauer blicken. Vom Haus weg führte ein Feldweg, der nicht so aussah als würde er oft benutzt werden. Außerdem verlor sich die Sicht nach vielleicht hundert Metern langsam und wurde blasser, sodass man nur erahnen konnte, wie der Feldweg in eine schmale Straße mündete. Ein Stück weiter waren auch andere Häuser zu sehen, die lose in der Landschaft verteilt lagen. Ansonsten Wiesen, Felder und Wäldchen, die sich in der blasser werdenden Entfernung verloren. Das schien aber nur für den Boden zu gelten, denn die Sonne schien und am blassblauen Himmel waren nur ein paar Wolken zu sehen.
"Und, was sagst du?", fragte ich den Jungen, nachdem es eine Weile still geblieben war und ich ihm Zeit gegeben hatte, die neuen Eindrücke in sich aufzunehmen. Ich hatte mich nur kurz umgesehen und mich dann zu dem Kleinen herumgedreht, um seine Reaktion zu beobachten, mit dem Rücken an die Steinmauer gelehnt. "Wollen wir eine Weile hier wohnen? Vielleicht zeig ich dir das ein oder andere, oder... du erinnerst dich selbst wieder." Mein typisches, leichtes Lächeln war auf meinem Gesicht zurückgeblieben, während ich den Kleinen aufmerksam ansah.